Rechtsanwalt Dr. Ralf Baur weist auf eine wichtige Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Gestaltung von Abfindungsregelungen hin, um Arbeitnehmern eine steuerlich vorteilhafte Auszahlung der Abfindung im Folgejahr zu gewährleisten.
Aus steuerlichen Gründen kann es vorteilhaft für einen Arbeitnehmer sein, eine Abfindungszahlung, obwohl das Arbeitsverhältnis zum Ablauf eines Kalenderjahres endet, erst zu Beginn des Folgejahres zu erhalten. Eine solche "verspätete" Auszahlung kann vor allem dann vorteilhaft sein, wenn der Arbeitnehmer im Folgejahr nach einer Kündigung, insbesondere wegen der zu erwartenden Arbeitslosigkeit, über keine nennenswerten weiteren Einkünfte neben der Abfindung verfügt. In diesem Fall kann sich die sogenannte Fünftelungsregelung gemäß § 34 Einkommenssteuergesetz (EStG) positiv auswirken und zu einer geringeren Steuerlast führen, als wenn die Abfindungszahlung noch in dem Kalenderjahr erfolgt, in dem der Arbeitnehmer vor der Kündigung über regelmäßig höhere Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis verfügt hat.
Dazu ist es jedoch nicht ausreichend, dass in einer Vereinbarung (gerichtlicher Vergleich, Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvertrag) mit dem Arbeitgeber vereinbart wird, dass die Abfindung erst im Folgejahr fällig ist. Einen entsprechenden Fall hatte das Bundesarbeitsgerichts in seinem Urteil vom 23.06.2016 (Az. 8 AZR 757/14) zu entscheiden. Das Bundesarbeitsgericht hatte ausdrücklich auf die Auslegungsregel des § 271 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hingewiesen. Gemäß § 271 Abs. 2 BGB ergibt sich aus einer bloßen Regelung zur Fälligkeit, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit verlangen, der Schuldner sie aber vorher erfüllen kann.
So war es denn auch in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall. Der Arbeitgeber zahlte die Abfindung, obwohl die Fälligkeit erst für das Folgejahr vereinbart war, noch im alten Jahr an den Arbeitnehmer, der dadurch einen Steuerschaden erlitten hatte. Der Arbeitnehmer wollte dann den Steuerschaden von seinem Arbeitgeber wegen der aus seiner Sicht "verfrühten" Abfindungszahlung ersetzt erhalten. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber sich rechtmäßig verhalten und keinen Schadensersatzanspruch ausgelöst hat, da er die Abfindungszahlung vor Fälligkeit leisten durfte. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer war gerade nicht vereinbart worden, dass der Arbeitgeber die Abfindung nicht vor Fälligkeit bezahlen darf. Nur bei einem entsprechenden Verbot hätte eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers vorgelegen, die ihn zum Ersatz des Steuerschadens gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet hätte.
Tipp
Will ein Arbeitnehmer eine "verspätete" Abfindungszahlung zur Herbeiführung steuerlicher Vorteile sicherstellen, muss die entsprechende Vereinbarung (Vergleich, Aufhebungsvertrag, Abwicklungsvertrag) mit dem Arbeitgeber klar und präzise gefasst sein. Der Arbeitnehmer sollte deshalb von einem im Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt oder durch einen Fachanwalt im Arbeitsrecht die entsprechende Vereinbarung prüfen oder vorformulieren lassen.
Umgekehrt müssen Arbeitgeber darauf achten, ob ihnen eine vorfällige Abfindungszahlung erlaubt ist, um sich nicht bei einer vorfälligen Abfindungszahlung gegebenenfalls schadensersatzpflichtig zu machen.
Dr. Ralf Baur
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht